Freitag, Januar 14, 2005

Überdachung der Brückstraßen

Stadt Dortmund
Ausschuss für Bürgerdienste, Anregungen
und Beschwerden - Geschäftsführung -
z.Hd. Frau Korbmacher
Friedensplatz 1

44122 Dortmund, 13.01.2005


ÜBERDACHUNG DER BRÜCKSTRASSE
MEINE ANREGUNG VOM 09.11.2004
IHRE SCHREIBEN VOM 13.12.2004 UND 22.12.2004


Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr verehrte Frau Korbmacher;
sehr geehrter Herr Ostholt,

eine Behandlung meiner Anregung im Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden am 22.02.2005 oder am 12.04.2005 halte ich für sinnvoll, da es sich um eine wesentliche, grundsätzliche Auseinandersetzung mit der weiteren Entwicklung des Brückstraßenviertels und der gesamten Stadt handelt.

Mein Vorschlag, die Brückstraße, deren Nebenstrassen und/oder Kreuzungsbereiche teilweise oder auch vollständig mit transluzenten Membrankonstruktionen auszustatten, um einen wetterfesten "geschlossenen Charakter" zu bewirken, ist durchaus realistisch.

Daher möchte ich auf Ihr Schreiben vom 13.12.2004 mit den 3 Gegenhaltungen näher eingehen:


Sie schreiben:

1. Die Stoffbahnen erschweren das Erkennen von Notfällen in den Obergeschossen, bilden ein Hindernis für Einsätze der Feuerwehr und bergen die Gefahr der Überbrückung von Brandabschnitten.

2. Durch den Einsatz halbtransparenter Stoffe wird die natürliche Belichtung stark beeinträchtigt. Dies stellt einen schweren Eingriff in die Eigentumsrechte der Anlieger dar, der unter Umständen auch negative Konsequenzen auf den Bestand der vorhandenen Arbeitsplätze haben könnte (Gebot der natürlichen Besonnung und Belüftung nach der Arbeitsstättenverordnung).

3. Mittel- und langfristig hat eine solche Segeltuchbespannung mit zunehmender Alterung, Verschmutzung und Beschädigung negative Wirkung.



Hinweis:

Zur Erklärung des Begriffes "Segelstoffe": Damit die Verspannungen des im konstruktiven Ingenieursbau allgemein bekannten "Membranbau" besser verstanden werden, hatte ich über "Segelstoffe" bzw. "Segeltuche" geschrieben, damit man die Konstruktion besser verstehen kann. Selbstverständlich können in diesen Dachkonstruktionen auch andere Materialien verwendet werden bis hin zu wärmeisolierenden Folienschichten.


Zu 1.)

Die Membranelemente sollen nicht als einheitliches Dach, also durchgehend zwischen den Häuserzeilen, verspannt werden, sondern konzeptionell strategisch aufgeteilt in einzelne Elemente (Inseln) mit unterschiedlichen Ebenen durch Überschneidung untereinander und ihre konstruktionsbedingte Flächenkrümmung den gewünschten Wetterschutz erreichen. Der Betrachter kann bei Ansicht aus weiterer Entfernung und bei kleinerem Betrachtungswinkel so seitlich durch sie hindurchblicken und auch auf die Fassaden der Häuser sehen. Besonders im Hinblick auf die Fassade des Konzerthauses ist eine "luftige" Aufteilung der Membrandächer insbesondere vom Südeingang der Brückstraße selbstverständlich eine wichtige Planungsentscheidung.

Da die Membranflächen leicht zerschnitten werden können, ist der Einsatz von Rettungskräften mit Drehleitern nur in geringem Maße behindert. Auch der vorsorgliche Einbau von Reissleinen zu diesem Zweck ermöglicht eine rasche Öffnung der Flächen nach oben hin. Eine Ausbreitung von Feuer auf nächstliegende Gebäude durch die Überbrückung von Brandabschnitten wird durch die Konstruktionsweise und durch die Wahl brandfester Materialien nicht gefördert.


Zu 2.)

Das Dach einer Membrankonstruktion kann die unterschiedlichsten Eigenschaften erfüllen: Seine Festigkeit, Haltbarkeit, seine Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen und seine Kosten können ebenso wie ihre Licht-, Schall- und Wärmedurchlässigkeit, ihre Farben und Oberflächenbeschaffenheit aus einem nahezu unbeschränkten Katalog von Möglichkeiten ausgewählt und bestimmt werden. Gleiches gilt für die Anforderungen an bauphysikalische Eigenschaften wie Brandbeständigkeit oder Energieaufwand für Herstellung, Montage und Betrieb. Da die Überdachungen durch ihre tensegriten Eigenschaften der Abspannung (Bogenbildung in den Aussenrändern der Membran) nicht bis zu den jeweiligen Gebäudefassaden reichen, ist die Tageslichtbeleuchtung von oben und auch die Belüftung nicht eingeschränkt. Durch die zusätzlichen Verkaufs- und Aktionsflächen können darüber hinaus zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.

Die Palette der Membranmaterialien erstreckt sich von Folien über unbeschichtete textile Flächen-gebilde, bis hin zu einseitig oder beidseitig beschichteten Geweben. Die weiteste Verbreitung und zur Zeit häufigste Verwendung haben die relativ kostengünstigen PVC-beschichteten Polyestergewebe, gefolgt von den etwa 10-fach teureren fluorpolymerbeschichteten Glasfasergeweben mit ihrer ausgezeichneten UV-, Chemikalien- und Brandbeständigkeit: Es gibt auch neuere Entwicklungen aus Polyamid- oder Aramidgeweben, die mit PUR, PVDF oder Silikon beschichtet sind und eine - entsprechend ihren speziellen Einsatzgebieten - geringere Verbreitung haben.

Angepaßt an die gewünschte Lichtdurchlässigkeit von 0 bis 90 % oder an die erforderlichen Wärmedämmeigenschaften, können Dach- oder Wandaufbauten ein- oder mehrlagig, mit innen- oder außen-liegender transparenter, transluzenter oder lichtundurchlässiger Wärmedämmung ausgeführt werden. Dabei lassen sich je nach Schichtfolge und -dicke k-Werte zwischen 5,7 und 0,8 W/m2K erreichen, mit reflektierenden Folienschichten oder Gasfüllungen sind sogar k-Werte bis zu 0,2 W/m2k möglich.

Auch die Anforderungen an Brand- oder Schallschutz können durch entsprechende Membranmaterialien und -schichtfolgen oder besondere Ausstattung der Oberflächen bzw. der innenliegenden Materialschichten erfüllt werden.


Zu 3.)

Einer mittel- bis langfristigen negativen Wirkung der Membraninseln durch Verschmutzung kann durch abwaschen unter Zuhilfenahme eines Hubsteigers vorgebeugt werden. Die dadurch entsteh-enden Servicekosten können durch die Einnahmen aus der Projektion mit Werbeelementen auf die Dachflächen gedeckt werden, sodaß der Stadt Dortmund keine zusätzlichen Ausgaben erwachsen. Auch die Geschäftsleute des Brückviertels werden ein Interesse daran haben, ihr neues Dach zu pflegen und mit Aussenaktionen über das ganze Jahr hinweg zu nutzen.

Das Risiko einer Beschädigung der Aussenhaut oder der Membrankonstruktion ist durch die Höhe der Membraninseln gering. Darüberhinaus ist der Anschaffungspreis der Membranhaut als relativ günstig einzustufen gegenüber schweren Glasflächen.

Zunehmende Alterung ist wesentlicher Teil unseres Lebens und unserer Gesellschaft. Das eine älter werdende Membrankonstruktion auch nach fast 20 Jahren noch gut aussehen kann, beweist eine der ersten Membranbauobjekte aus den 80er Jahren im Ruhrpark von Bochum, der auch im Weihnachtsgeschäft 2004 wieder den glanzvollen Mittelpunkt des Zentrums darstellte und eine Bühne beherbergte.


Nachsatz:

Diese Art der Bedachung wird ca. 30 Jahre nach deren Erfindung immer noch als "innovativ" und "modern" empfunden, was auch das 10 Mio. Euro Dach der Eishalle auf dem Olympiagelände in München zeigt (siehe Anlage als pdf Datei "Seminar Textiles Bauen von Prof. Rückert").

Durch die nahezu grenzenlosen Konstruktionsmöglichkeiten, aber auch durch die langjährige Erfahrung und Weiterentwicklung der Membranmaterialien, ist diese Dachlösung besonders mit Sicht auf die bald kommenden global auf unsere Stadt und Region fokussierenden Ereignisse sehr empfehlenswert.

Selbstverständlich muss auch anderen Standorten der Innenstadt und deren Zubringerwege für visuelle Stadtmarken Rechnung getragen werden. In Verbindung mit den gleichfalls vorgeschlagenen künstlerischen Projektionen auf die Haut der Membrankonstruktionen bietet sich dieser "Leichtbau" geradezu an.

Daher wünsche ich mir eine ernsthafte, konstruktive Diskussion dieses Themas in unserer Stadt. Für weitere Informationen, Anregungen und für ein Mitwirken bei der weiteren Vorgehensweise stehe ich gerne zur Verfügung.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüssen


TH©MAS HAAGEN